Literatur

„Viel mehr als nur ein Spiel“

Im Vorfeld wussten die „Mitglieder der Bewegung“ Neugierde zu wecken: Ob sie uniformiert-kämpferisch in den Klassen aufmarschierten und zur Aufführung, nun ja, einluden kann man wohl nicht sagen, eher nötigten, ob sie quasi über Nacht die Schule mit Bannern und Aufklebern überzogen („Die Welle“, „Sie wird euch überrollen“) oder einen Trailer auf die Homepage stellten – in jedem Fall stiegen die Spannung und die Erwartungen.

Um es kurz zu machen: Diese Erwartungen wurden voll erfüllt, wenn nicht sogar übertroffen. Unter der Leitung von Herrn Fuchs gelang es den Q1-Schülerinnen und -Schülern, eine eindrucksvolle Inszenierung auf die Bühne zu bringen.

In Morton Rhues Klassiker von 1981 geht es um ein Experiment, das „zu weit ging“, so der deutsche Untertitel des Romans: Im Geschichtsunterricht beschäftigen sich die Schülerinnen und Schüler mit der NS-Zeit. Sie können nicht verstehen, wie es zu so einem massenhaften Zulauf und zur ideologischen Gleichschaltung im Nationalsozialismus kommen konnte, und sind der Meinung, dass „so etwas“ heute in modernen, liberalen Industrieländern nicht mehr möglich wäre. Der Lehrer, hervorragend gespielt von Emir Onay, will ihnen mit einem historischen Experiment beweisen, dass Totalitarismus und Faschismus in jedem Gemeinwesen wachsen können. Er beginnt das Experiment „Die Welle“. Zu seinem Erstaunen „protestieren“ die Schüler nicht, sondern „machen willig mit“, denn: „Sie wollten diszipliniert werden!“ In kürzester Zeit gelingt es ihm, die bis dahin typisch westlich, also wenig autoritär, erzogenen Jugendlichen auf die zentralen Werte der „Welle“ – „Disziplin“, „Gemeinschaft“, „Handeln“ – einzuschwören und sie zu einem vollkommenen Kollektivkörper zu formen. Das neu gewachsene Gemeinschaftsgefühl schwemmt Robert (genial: Musa Karakütük) nach oben: Bisher Außenseiter und Sonderling, wächst er nun zu einem tragenden Element der neuen „Bewegung“ heran.

Das Experiment droht endgültig zu gut zu gelingen, als Schüler anfangen, kritische oder offen ablehnende Schüler zu bedrohen und gewalttätig zu attackieren. So zum Beispiel die intelligente, kritische Schülerzeitungsredakteurin Laurel, wunderbar gespielt von Stefanie Fernandes de Matos, die versucht, sich der immer größer werdenden Welle entgegenzustellen. Oder die neue jüdische Mitschülerin, die sich nicht der „Welle“-Bewegung anschließen mag. Als der Lehrer schließlich unter dem Druck seiner Frau (überzeugend: Jule Henzler) und der Schulleitung das Experiment beendet, platzt die Blase und hinterlässt spürbar rat- und orientierungslose Schüler. Insbesondere Robert, der große Gewinner der „Bewegung“, wirkt verzweifelt über das Ende eines Traums. Seine Mitschüler reagieren schließlich pragmatischer und beginnen mit den – symbolträchtigen –  Aufräumarbeiten.

Ein Schuljahr lang arbeitete der Q1-Literaturkurs an diesem Mammutprojekt. Nicht nur die schauspielerische Leistung beeindruckte. Auch das dreiteilige Bühnenbild, das nahezu ohne Umbauten auskam, war wohldurchdacht. Lichteinsatz, Kostümierung, Stimmen aus dem Off oder Ansprachen an das Publikum, mit denen die vierte Wand durchbrochen wurde, gehörten zu den gut eingesetzten theatertechnischen Kniffen. Und last but not least rundete eine unter Frau Şener einstudierte Choreographie die künstlerische Leistung dieser Inszenierung ab.

„Die Welle“ – sie hat uns „überrollt“!

 
 

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