Literatur

„Haarriss“-Theorie

Für mich ist das Arbeiten in einem kreativen Projekt und innerhalb einer Künstlertruppe vergleichbar mit dem Fliegen in einem modernen Düsenjet, in beiden Fällen kommt es sehr auf eine genaue Feinabstimmung und vor allem auf eine sehr gute Kommunikation untereinander an.

Ein Theaterprojekt eines Literaturkurses ist vergleichbar mit dem Fliegen. Jeder von uns ist ein Rädchen in einem großen Betriebssystem und die, die vermeintlich allein das Flugzeug steuern, sind extrem auf unsere Belastbarkeit und Zusammenarbeit angewiesen, weil sonst alles gründlich schief gehen kann, vor allem, wenn wir Fehler in der Zusammenarbeit nicht früh genug bemerken. In einer Notsituation können diese noch haarrissgroßen Fehler sich ausweiten und zu einem klaffenden Loch im Cockpit werden.
 

Gute Kommunikation innerhalb eines Literaturkurses bedeutet, man hört einander sehr gut zu, man paraphrasiert das Gesagte des Vorredners, man versucht, sich in den anderen hineinzuversetzen, um zu verstehen, was der andere ganz genau meint, und vor allem setzt man niemals jemanden in einem Gespräch herab, weil diese Herabsetzung oder vermeintliche Dominanz zu weiteren Spannungen führt, die fatale Folgen haben können.

Für den Zuschauer sind, auch wenn wir es nicht meinen, diese kleinen Haarrisse und erst recht die großen sichtbar, es ist seltsamerweise sogar so, als wären diese Haarrisse neonfarben eingefärbt, damit der Zuschauer sie noch deutlicher sieht. Der Zuschauer par excellence ist sehr konzentriert und nimmt durch seine Konzentration über seinen Verstand und seine emotionale Bereitschaft, sich in das Stück verwickeln zu lassen, Kontakt zu dem Künstlerteam auf. Der Zuschauer spürt nach einer kleinen Einführungs- und Eingewöhnungsphase, ob die Gelenkstellen geölt werden und ob die Haarrisse überpinselt und große Fehler im System gewartet wurden. Der Zuschauer ist plötzlich Teil des Ensembles und fühlt mit.

Man sollte den Zuschauer nicht unterschätzen. Der Zuschauer sieht beispielsweise auch bei einem Fußballtrainer in Zusammenarbeit mit dem jeweiligen Trainer und den Sportmanagern und  sonstigen Verantwortlichen, ob das Team zusammenhält oder ob sich beispielsweise der eine über den anderen stellt, um für die eigene Person mehr zu erreichen.

Nur wenn alle harmonisch zusammenarbeiten und jeder jedem den Erfolg gönnt und man sich weniger als Einzelmensch als als Krake sieht, kann es funktionieren und man wird die kritischste Jury von der eigenen Arbeit überzeugen.

Unser Aufführungstag unseres Stückes „Masks on/off“ in der letzten Woche vor den Sommerferien ist  längst vorbei. Ich hoffe, das Publikum hat gesehen, dass wir unsere zuweilen auftretenden Spannungen und Problemchen in der Zusammenarbeit bewältigt haben.

Was bleibt, ist die großartige Erinnerung an einen besonderen Tag, an dem alle Schüler/innen des Literaturkurses ihre Aufgaben selbständig wahrgenommen haben und sich auch bei den Tanzeinlagen die Seele aus dem Leib gespielt haben.

 
 

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